Die Geburt, das „Hineingeworfen“ werden, das ins Dasein treten, ist bereits mit großem Leid verbunden: Das ,aus der Mutter herausgepresst‘ werden, der enge Geburtskanal, die Deformationen am kleinen Körper, das Getrenntwerden vom kosmischen Zustand im Mutterleib, die erste Lungenfunktion, das grelle Licht, die Kälte, keine sichere Begrenzung mehr haben, der Verlust des Herzschlages der Mutter: Schmerz und Leid.
Das Altern, der Zerfall des Körpers ist mit großem Leid verbunden: Die Ersatzteile im Mund und vielleicht in anderen Körperteilen, der Haarausfall, die Gedächtnislücken, die Abnahme an Wertigkeit in der Gesellschaft, der Rückgang der Sexualität, die Abnahme der Leistungsfähigkeit, der schleppende Gang, die Luftnot, der kleiner werdende Freundeskreis, das Wegsterben von Weggefährten, die zunehmende Verständnislosigkeit der jungen Generationen gegenüber, die Irritationen bezüglich neuer gesellschaftlicher Gepflogenheiten und Strukturen, die Angst vor dem nicht zu umgehenden Tod: Schmerz und Leid.
Das Sterben, das unausweichlich kommt und das die letzte Auswirkung der Geburt ist, ist mit großem Leid verbunden: Es bedeutet Abschied nehmen, hoffentlich in Würde, bedeutet langsames Dahinsiechen in fürchterlicher Abhängigkeit – oder schneller, plötzlicher Tod, das Zurücklassen des Körpers, seine Auflösung, das Verfaulen dessen, was einmal der ganze Stolz war, das Zurücklassen alles Besitzes, nichts mehr haben, nichts mehr sein: Schmerz und Leid.
Die Sorge, das Besorgt sein, die Ängstlichkeit ist mit großem Leid verbunden: Die Gedanken kreisen und kreisen und lassen uns nicht mehr los – sie vernebeln unser Hirn, sie blockieren den Geist, sie nehmen uns geradezu die Luft zum Atmen.
Sorgen wühlen in uns, zerfurchen unsere Psyche, drehen sich hin und drehen sich her und machen mit uns, was sie wollen. Wir kommen überhaupt nicht mehr zum klaren Denken, denn Gedanken der Sorge verwirren uns, machen diesen Vorschlag und jenen und wollen die Zukunft vorausnehmen. Dabei kommt das Heute, das Jetzt, der handelnde Augenblick zu kurz. Sich sorgen und darüber grübeln, was alles auf mich zu kommen könnte, bringt nur eines: Schmerz und Leid.